Das Ende der Vernunft!
Heute, nach längerer Pause mal eine kleine Exkursion, hoffe es gefällt.
Es lebe: Achim Angepasst.
Achim gehört zu der Was-ich-nicht-weiß-macht-mich-nicht-heiß-Fraktion. Weil er die einschlägigen Zeitungsmeldungen nicht ernst nimmt, sich für Details nicht interessiert und Datenschützer für paranoide Wichtigtuer hält, weiß er nichts von den Veränderungen in unserer Gesellschaft. Es ist Achim egal, auch wählen ist ihm egal; Politik ist schließlich etwas für gelangweilte Rentner, was man auf Grund der praxisfernen Debatten und aussage freien Parteiprogrammen sogar nachvollziehen kann. Es ist ihm egal was hier gespielt wird, solange er weiter in ruhigen Bahnen an seiner Karriere feilen kann. Er gehört zur Gruppe der aktiven Neobidermeiner. Selbst das Abhören seiner privaten Telefonate würde Achim nicht stören, solange er nichts davon wüsste.
Achim ist extrem naiv. Außerdem ist er ein geübter Selbstbetrüger, dem ausschließlich um ein bequemes Leben und der persönlichen Vorteil geht. Er steht im Mittelpunkt seines Weltbildes, daran soll sich auch nichts ändern, schließlich ist er als Einzelkind auf gewachsen und hat schon im Kindergarten gelernt, dass man anderen lieber nicht vertraut, da er sonst nicht geheim halten konnte in wen er verliebt war. Das hat sich weiter durch sein ganzes Leben gezogen, in der Schule hat er lieber niemanden abschreiben lassen, schließlich zählt Leistung und wie soll man diese nur erbringen, wenn man sie teilt? Der eigende Vorteil und das eigene Vorankommen zählt; so hat es ihm auch immer sein Vater erzählt. Bis heute hat sich Achim kaum verändert, wer versucht immer noch den alle Vorteile zu (auszu)nutzen. An jeder Supermarktkasse hinterlässt er seinen kompletten Datensatz, wenn man ihm dafür ein paar läppische Rabattpunkte anbietet, die er bei Gelegenheit gegen einen Satz Frotteehandtücher oder eine Salatschüssel eintauschen kann. Achims Portmonnaie wölbt sich vor lauter Plastik: Payback- und Kundenkarten von Drogerien, Tankstellen und seinem Friseur. Achim kommt sich schlau vor, er will von den vielen Angeboten profitieren. Dabei übersieht er, dass er Kapitalismus kein karitatives System ist, weshalb alles, was man ihm abkauft oder abluchsen will, ein Vielfaches an Wert besitzen muss. Das ist ihm nicht bewusst, bzw. erachtet er seine Daten nicht als besonders wertvoll schließlich hat er so wie so alles auf Facebook stehen, aber dazu später. Kritisches Nachdenken ist Achim zu anstrengt; was er nicht sehen oder fühlen kann, interessiert ihn nicht. Seine Eltern, das Wirtschaftssystem und die Leistungsgesellschaft hat ihn zu einem gehorsamen Kunden und Bürger erzogen, der auf Anfrage sofort jede beliebige Auskunft über sich selbst erteilt und alles gibt um die maximale Leistung zu erreichen.
Wann wird Achim ein Licht aufgehen? Wenn er bei seiner Bank keinen Kleinkredit erhält, weil er im falschen Stadtteil wohnt und in der falschen Läden einkauft? Wird er dann auf einmal die Wirtschaft, die Politik und das Universum anklagen, weil sie alle nichts besseres zu tun haben, als den “kleinen Mann von der Straße” auszubeuten? Oder wird er auch dann missmutig schweigen und alles hinnehmen, so wie er es früher getan hat, wenn seine Schulkameraden bei den Vokabeltests gespickt haben?
An das alltägliche Datensammeln hat sich Achim dermaßen gewöhnt, dass ihm sämtliche Maßnahmen des Staates, wenn er sie einmal zur Kenntnis nähme, vergleichsweise harmlos erscheinen würden.
Vorratsdatenspeicherung. Telekommunikationsüberwachung. Online-Durchsuchungen. Erweiterte Rasterfahndung. Großer Lauschangriff. Speicherung aller Fingerabdrücke. Biometrische Passdaten. Nutzung der Mautdaten. Die automatische Erfassung von Autokennzeichen. Fluggastdatenspeicherung, Briefkontrollen, Geruchskontrollen, Verwanzung von Wohnungen, Zensus2011- SOPA. ACTA. alles halb so schlimm, das betrifft so wie so nur die “Kriminellen” und nicht ihn, denn er ecke nicht an, er passt sich lieber an, auch wenn es noch so schwer ist. Schließlich ist Anpassung alles und so hat er es schon immer getan, wie sonst soll man auch in so einer Gesellschaft überleben? Man muss doch flexible sein oder?
Außerdem ist Achim hundertprozentig sicher, ein so braver Mensch zu sein, dass er niemals ins Fadenkreuz der Behörden geraten wird. Das bisschen MP3s oder Filme runterladen und Schwarzarbeit verbucht er unter “Kavaliersdelikt”. Grundsätzlich ist er ein gehorsamer Bürger. Ein Konflikt mit den Autoritäten ist für ihn undenkbar, schleißlich will er doch nur den Vorteil des Datenteilens nutzen um nicht in den Landen oder in das Kino rennen zu müssen. Diese Firmen haben es tatsächlich bis heute nicht geschafft den neuen Markt im Netz zu erschließen, obwohl das deutlich bequemer für den Kunden und den Händler wäre.
Achim widerspricht seinem Chef nicht und kuscht vor jedem Polizisten. Er würde niemals gegen Unrecht protestieren, das zum Himmel schreit. Wie die Energie zu ihm nach Hause kommt ist ihm egal, Hauptsache ist er hat genug um seine neue HIFI Anlage aufzudrehen und die üblichen Pophits von Lady Gaga aus dem Radio zu hören. Achim besitzt kein Mitgefühl für Menschen, die mit dem Staat aneinandergeraten. Die sind alle irgendwie selbst schuld, Ausländer, Drogenabhängige, jugendliche Randalierer, politische Extremisten. Kein Rauch ohne Feuer, und wo gehobelt wird, da fallen Späne. Wenn Achims Nachbar von der Polizei abgeholt würde, stünde Achim am Fenster und würde sich selber einreden, dass der sympathische und stets hilfsbereite Nachbar schon irgendwas Schlimmes angestellt haben wird: Da schau mal einer an, was hinter einer netten Fassade lauern kann! In diesem Land kann man niemanden mehr vertrauen. Es ist notwendig die Bürger mehr zu kontrollieren und die Rechte weiter einzuschränken. Netzsperren müssen erweitert werden neben der Kinderpornographie muss auch noch der gesamte andere Müll aus den Netz. Alles was nicht der “normalen Norm” entspricht muss raus!
Achim ist der vollendete Untertan und tiefgläubiger Demokrat, der volles Vertrauen gegen über seinem Staat hat, obwohl dieser immer mehr zu Überwachungs- und Kontrollstaat wird und auch Achim’s Rechte stark eingrenzt. Aber Achim ist das personifizierte Versprechen, der Obrigkeit niemals aufzufallen.
Es gibt noch einen weiteren Grund, aus dem es Achim nicht stört, wenn er am Bahnhof von den Videokameras gefilmt wird. Wenn man ihm einredet, diese Kameras seinen mit dem Internet verbunden und die Bilder weltweit abrufbar, würde er grinsend und mit gestrecktem Victory-Zeichen vor den Kameras auf und ab tanzen und vielleicht noch “Papa can you hear me? Papa can you hear me?” singen. Denn Achim findet sich selbst hoch interessant und will sich der Welt nicht vorenthalten. Er stellt Fotos von seinen Kindern ins Netz. Sein Hund hat eine eigene Website. Achim hat User-Profile bei Facebook, MySpace, MeinVZ und YouTube. Er spricht in Foren über seine Seitensprünge und leistet Trauerarbeit, weil ihn seine Frau verlassen hat. Auf seinem Blog stellt er immer wieder private Geschichten, auch von Freunden ins Netz und vergisst dabei die Benutzerrechte richtig einzustellen. Bis heute kann jeder über eine Suchmaschine die Urlaubsgeschichte von ihm und seiner Freundin nachlesen, das ganze ist natürlich mit Fotos und Videos gespickt, wo man seine Freundin auch mal leicht bekleidet am Pool sehen kann. Sie hat ebenfalls nichts dagegen, denn sie arbeitet als Altenpflegerin, die zu Pflegenden wissen ja nicht einmal wie ein PC funktioniert, also werden sie wohl kaum auf diese Inhalte stoßen…
Insgesamt bedeutet das Internet Achim die perfekte Synthese zwischen Exhibitionismus und Voyeurismus. Er liebt es einfach sich selber zu veröffentlichen, weil es ihm ein wunderbares Gefühl gibt tatsächlich “Da” zu sein, relevant und vielleicht sogar unsterblich dank seiner vielen Suchtreffer bei Google, um die sich nach seinem Tod wohl niemand kümmern wird. Die anderen Existenzen beweisen ihm, dass er nicht allein ist. Wenn sich nun neben dem Netz auch der Staat für Achim interessiert - warum nicht?
Das bin doch ich! Wenn du das Erleben während des Lesens vom Artikel gehabt haben solltest, dann solltest du dir unbedingt psychologische Unterstützung suchen, die dich in Sachen Geltungsdrang und Unbesorgtheit behandelt! Sry
Ich hoffe keiner der Leser denkt so wie hier im Artikel geschildert. Der Artikel soll eine Art politischer Warn- bzw. Weckruf sein. Denn in der heutigen Zeit geschehen recht viele Dinge die die Meinungsfreiheit und die Rechte der Bürger immer weiter eingrenzen. An dieser Stelle müsste eigentlich auch der letzte merken, dass Zeit zum Handeln ist. Also lieber jetzt aktiv werden, bevor es zu spät ist!
Schönen Gruß vom Überwachungsstaat! Orwell’s 1984 höchstpersönlich!
Bitte werde aktiv und werde Teil einer politischen Bewegung gegen: Einschränkung der bürgerlichen Rechte und den Überwachungsstaat!
Erster Schritt Petition gegen ACTA unterschreiben: http://www.stopp-acta.info/deutsch/werde+aktiv/e-petition/e-petition.html
Wenn du nicht weißt was ACTA ist: http://www.youtube.com/watch?v=I3yucorZWPQ
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Der Artikel ist überwiegend an Teile aus “Angriff auf die Freiheit” von Juli Zeh und Ilja Trojanow angelehnt. Das ist übrigens ein super tolles Buch, ich empfehle es jedem, der mehr wissen will als der Durchschnittsdenker und sich ein kritisches Bild gegenüber der heutigen Gesellschaft bilden möchte!
“Angriff auf die Freiheit” von Juli Zeh und Ilja Trojanow (ISBN: 978-3-423-34602-3) Kosten: 7.90€
Eventuell kommt zu dem Buch nochmal eine Review, da es echt vielseitig ist und schöne Theorien aufwirft.
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Das war er mein kleiner Exkurs hoffe er hat euch gefallen! Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen!
~AirSys
Wirklich richtig guter Beitrag! Und ich muss ehrlich zugeben das ich mich in 1-2 Dingen selbst ertappt habe und auch manchmal einfach nur den Vorteil auslebe. Aber wer macht das nicht?
Wirklich Super Beitrag
Super Artikel! Einfach,verständlich und übersichtlich gezeigt was heute in unserer Gesellschaft schief läuft Weiter so !
Danke an euch beide! Hat auch ein bisschen gedauert, bis es so formuliert war
Würde mich freuen, wenn ihr es verbreitet, damit noch mehr Menschen erfahren, was in unserer Gesellschaft so schief läuft …
~AirSys
PS: Scenepirat, mich würde interessieren, wobei du dich ertappt hast …
It’s a pleasure to find somonee who can think so clearly
Wirklich guter Artikel!
Ich wüsste gar nicht, was ich hier wirklich zu schreiben sollte, da ich meistens das Kommentarfeld nur für kritische Feedbacks nutze und mit dem langen Finger auf Fehler deute. Jedoch fällt mir hier einfach nichts in dieser Hinsicht ein
Dementsprechend an den Artikel angelehnt: “Gefällt mir!”
Ja, sogar sehr gut!
[...] Hierbei ist ACTA ein Handelsabkommen zwischen der westlichen Welt, welches im Kampf gegen Produktpiraterie und Copyrightsverletzungen helfen soll. Dabei werden den teilnehmenden Staaten neue Verpflichtungen aufgeladen, welche von Seiten des Datenschutzes teilweise sehr makaber in ihrer Umsetzung aussehen. So ist einer der Grundgedanken, dass der Provider ebenfalls wegen einer Urheberrechtsverletzung eines Kunden rechtlich belangt werden kann. Natürlich kann sich keiner dieser unmöglich zu tragenden Verantwortung entgegenstellen und muss, um seinen eigenen Hals aus der Schlinge zu ziehen, den gesamten Netzwerkverkehr eines jeden Kunden mitprotokollieren oder sogar überwachen. Hierbei wird auch auf die sogenannte “Three-Strikes-Strategie” gesetzt, welche einem Nutzer nach drei Vergehen den Internetzugang einfach sperrt. Wer jedoch immer noch davon überzeugt sei, dass dies ausschließlich gegen die bösen Kriminellen gerichtet sei und da man selber ja nichts böses gemacht hat oder es je planen wird, dem lege ich einen wirklich sehr guten Blog- Artikel von AirSys auf Acsiiis Blog nahe: Das Ende der Vernunft! [...]
Bitte mehr solcher Beiträge
Werd dich gleich mal in meinen Blogroll aufnehmen!
Hammer Artikel. Mehr kann man nicht dazu sagen! Saubere Arbeit. Es trifft vieles zu
Jo, danke an euch alle
Das der Artikel so gut ankommt habe ich selber nicht gedacht, werde in Zukunft öfter solche Artikel schreiben…
~AirSys
Das passt doch ganz genau für die Leute, die sich erst jetzt wegen ACTA die augen reiben
Sehr schöner Post .
Die beiden Schriftsteller am Ende des Textes waren mal in einem Chaosradio, oder? ab die sehr positiv in Erinnerung